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Vergangenheit, die nicht vergeht
Andreas Schmoller
2010
Das Publikationsvorhaben mit dem Titel "Vergangenheit, die nicht vergeht. Das Gedächtnis der Shoah in Frankreich seit 1945 im Medium Film" erforscht anhand französischer Spielfilme - die als Teil einer Kinematografie der Shoah ausgemacht werden können - die grundlegenden Transformationen des Gedächtnisses der Shoah am Beispiel Frankreich. Mit einem gedächtnisgeschichtlichen Ansatz, der sich an den kulturwissenschaftlichen Modellen des kollektiven Gedächtnisses orientiert, konkretisiert die Arbeit den Wandel des Gedächtnisses anhand der jeweiligen filmischen Narrative und verfolgt auf diese Weise Langzeitentwicklungen und Brüche in der französischen Erinnerungskultur zwischen 1945 und heute.Dem empirischen Arbeitsteil sind theoretische und methodische Überlegungen vorgeschaltet, die einerseits einen eindeutigen und differenzierten Zugriff auf das Begriffsrepertoire der aktuellen kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung erlauben und zugleich das Untersuchungsmaterial "Spielfilm" als Primärquelle der Geschichtswissenschaft fassbar bzw. bearbeitbar machen. Die Untersuchung gliedert sich in fünf chronologisch gereihte Abschnitte und bezieht insgesamt ein Corpus von 50 Filmen in die allgemeine Fragenstellung ein, bevor nach dem Prinzip des Fallbeispiels einzelne Filme einer genaueren Analyse unterzogen werden.Den ersten Untersuchungsabschnitt (1945-69) - zu dem der Forschungsstand als umfassend erachtet werden darf - rekonstruiert die Arbeit unter dem Gesichtspunkt der Bildung und Ausformung unterschiedlicher Gedächtnisformationen in Frankreich, die in der Spielfilmproduktion ihren Niederschlag findet. Im Zentrum steht hierbei das In-, Neben- und Gegeneinander von nationalem Gedächtnis, sowie politischen und diversen partikularen sozialen Gedächtnissen, die vor dem Hintergrund einer sich Anfang der 1960er Jahre einsetzenden Ausbildung eines Shoah-Gedächtnisses im eigentlichen Sinne untersucht wird. Der zweite - sich im Schwerpunkt auf die 1970er Jahre beziehende - Abschnitt fokussiert auf ein zentrales Moment der Modifikation kollektiver Langzeiterinnerung in Frankreich. Das Medium Film ist in dieser Phase zudem als prominenter Austragungsort von Diskursen zu fassen, das die Transformation weg von einem Résistance- hin zu einem Shoah-Gedächtnis nicht nur reflektiert sondern wesentlich vorantreibt. Der Film als Parameter eines öffentlich-demokratischen Gedächtnisraumes erschließt den vielschichtigen Ablöseprozess der politisch legitimierten heldenzentrierten Nationalerinnerung hin zu einer transnationalen opferzentrierten Shoah-Erinnerung. In der anschließenden dritten Phase - die 1980er und 90er Jahre umfasst - konkretisiert sich diese fundamentale Transformation und zeitigt zugleich weitreichende Konsequenzen. Im Kontext der zusehenden Medialisierung und Politisierung der Shoah auf internationaler Ebene konzentriert sich die Arbeit auf die Ausgestaltung dreier Wandlungsprozesse kollektiver Holocaust-Erinnerung: Universalisierung, Amerikanisierung und Viktimisierung. Der vierte Abschnitt verlagert vorübergehend den Fokus, weg von den französischen Filmen hin zu medialen und intellektuellen Diskursen anlässlich internationaler Filme in Frankreich und ihrer Fortsetzung im Streit um das sogenannte "Darstellungsverbot" seit "Schindlers Liste" 1994. Der fünfte und letzte Abschnitt des Untersuchungszeitraums ortet und bestimmt aktuelle Tendenzen der filmischen Repräsentation der Shoah. Berücksichtigt werden hierfür Filme bis zum Jahr 2007. Neben einer allgemeinen Darstellung der teils sehr divergenten Entwicklung des filmischen Bezugnehmens auf die Shoah in Frankreich, setzt die Arbeit ausgewählte Beispiele in Bezug zu allgemeinen Phänomenen des gesellschaftlichen Umgangs mit Vergangenheit, insbesondere der "Patrimonialisation" (Pierre Nora), der Sakralisierung und sowie der Re-Politisierung der Geschichte. Die diachron ausgerichtete Untersuchung - die bislang zum Forschungsgegenstand spärlich vorhanden sind - sowie der breite Erfassungsradius empirischen Materials erweisen sich hinsichtlich der Rekonstruktion und Analyse einzelner Wandlungsprozesse und Konstellationen von kollektiven Gedächtnisformationen als sehr ertragreich. Ergebnis der Arbeit ist eine umfassende Gedächtnisgeschichte der Shoah für Frankreich seit 1945.
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