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Hauptsächliches Interesse dieser Arbeit ist eine methodologische Analyse aus quellenkritischer Sicht von Privatbriefen spanischer Emigranten, die diese aus Amerika an ihre Freunde und Verwandten in Europa schickten, sowie eine detaillierte Kritik der bisherigen wissenschaftlichen Beiträge zu diesem Thema. Dabei stehen besonders das Verhältnis und die verwaschenen Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen authentischem, intimem Seelenspiegel und sorgsam inszeniertem Instrument im Vordergrund. Emigrantenbriefe sind aus einer großen Bandbreite verschiedenster archivarischer Bestände auf uns gekommen: aus Privatarchiven des Adels und bekannter Persönlichkeiten, aus Archiven von Handelshäusern und Handelsinstitutionen, in Notariatsakten, Gerichtsakten, sowie in besonders großer Zahl im Rahmen von Anträgen auf Lizenzen zur Überfahrt nach Las Indias. Je nach Art des archivarischen Zusammenhangs weisen diese Privatbriefe unterschiedliche Qualitäten auf, die bestimmter methodologischer Zugangsweisen bedürfen und unterschiedliche Aussagen zulassen. Besonders interessant ist dabei das komplexe Verhältnis zwischen Privatheit und verschiedensten Formen der Öffentlichkeit, sei es bereits bei der Entstehung der Briefe, sei es der schleichende Übergang individueller Briefe zu standardisierten Schriftstücken für bestimmte Zwecke oder Prozesse von Selektion, je nachdem, aus welchem Grund die Briefe archiviert wurden - das Archiv allein macht bereits aus dem intimsten Privatbrief etwas Öffentliches. Besonders die öffentliche Verwendung von Briefen in einem Gerichtsakt der Inquisition hat sich diesbezüglich als sehr aufschlussreich herausgestellt Im Speziellen wird ein Bestand von Briefen vollständig aufgearbeitet, der zu den bekanntesten privaten Emigrantenbriefen des kolonialen Hispanoamerika gehört: die sogenannten cartas de llamada oder Anwerbebriefe. Mit Hilfe dieser Briefe wiesen die Antragsteller und Antragstellerinnen nach, dass ihr Ehegatte sie zu sich rief oder ein Verwandter für ihr wirtschaftliches und soziales Fortkommen sorgen würde. Briefe dieser Art waren die Grundlage der wichtigsten einschlägigen Briefedition von Enrique Otte Ende der 1980er-Jahre, die das Interesse an dieser Quelle in der hispanoamerikanistischen Geschichtsforschung entscheidend beeinflusste. Mehrere weitere Briefeditionen folgten. Allerdings wurden die Bestände an cartas de llamada nicht systematisch aufgearbeitet und das sie umgebende Dokumentmaterial (Lizenzanträge) sowie die zum Verständnis notwendigen die legalen Bestimmungen zur Emigration nicht konsequent in die Analyse eingebunden. Desweiteren herrscht in der Editionspraxis ein regelrechtes Chaos, was die Standards bei der Transkription der Originaldokumente betrifft, sodass der Versuch unternommen wurde, eine solide und auch für weitere Editionen tragfähige Vorgangsweise zu entwickeln. Als Quellenmaterial wurden die entsprechenden Bestände im Archivo General de Indias systematisch durchsucht. Dabei konnten zahlreiche Angaben zu bereits edierten Briefen berichtigt werden und 1213 zuvor unedierte Briefe wurden transkribiert. Das so gesammelte Material wurde sowohl quantitativ nach demographischen und räumlichen Mustern untersucht, als auch hinsichtlich inhaltlicher Aussagen zu verschiedenen Aspekten historischen Interesses ausgewertet. Einen privilegierten Rang unter diesen untersuchten Elementen nahm das Kommunikationsverhalten der Emigranten selbst ein: Briefumlaufzeiten, Frequenz der Kommunikation, Postwege, Transportmittel und Strategien, um ungeachtet von Kommunikationshürden (Schiffbrüche, Kriege, schlechte Infrastruktur…) den Kontakt zur Alten Welt aufrecht zu erhalten.
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