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Stalins Soldaten in Österreich
Barbara Stelzl-Marx
2012
Als sowjetische Truppen am 29. März 1945 bei Klostermarienberg erstmals österreichischen Boden betraten, tauchten sie in eine feindliche, weitestgehend unbekannte und nur schwer verständliche Welt ein, die die östlichen "Befreier vom faschistischen Joch" durchaus nicht mit offenen Armen begrüßte. Angesichts der ersten Begegnungen mit der österreichischen Bevölkerung kamen nun vielfach jene stereotypen Feind- und Fremdbilder zum Tragen, die die sowjetische Propaganda gemeinsam mit den Kriegserfahrungen tief im Unterbewusstsein verankert hatte. Aber auch durch Film und Literatur geprägte Vorstellungen des Westens wurden mit der Realität konfrontiert.Dem für die Rote Armee ruhm- und siegreichen Ende des Zweiten Weltkrieges folgte die zehnjährige Besatzung Österreichs, die hunderttausende sowjetische Soldaten und Offiziere, ihre Frauen und Kinder sowie ziviles Besatzungspersonal für mehrere Monate, aber auch Jahre an Österreich binden sollte. Moskau versuchte (häufig vergeblich), die Truppen zu "hoher politischer Wachsamkeit" zu erziehen, ihre militärische Disziplin zu steigern und den "politisch-moralischen Zustand" zu stärken. Die direkte Konfrontation mit der österreichischen Bevölkerung, aber auch mit westlichen Besatzungsangehörigen barg aus sowjetischer Sicht die Gefahr einer "feindlichen Einflussnahme" in sich. Zweifel an der Überlegenheit des kommunistischen Systems, Regelverstöße sowie Vergehen, die eigentlich "nur" strafrechtlich relevant waren, galten als politisch motiviert und als ein Zeichen der ideologischen und politischen Wankelmütigkeit des Betroffenen. Dies konnte strenge Repressalien bis hin zur Todesstrafe nach sich ziehen. Während die österreichische Sichtweise der Besatzung, der österreichische Alltag in der sowjetischen Besatzungszone oder die wichtigsten Topoi von den Rotarmisten gut dokumentiert und aufgearbeitet sind, stehen Forschungen zu den individuellen Erlebnissen, Eindrücken und Verarbeitungsformen durch die Besatzungssoldaten selbst bisher weitestgehend aus. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen die ERFAHRUNG der sowjetischen Lebenswelt in Österreich, die u. a. die Besatzungsorganisation, Disziplin und Strafverfolgung, die tägliche Arbeit, das Alltagsleben in den Kasernen oder die Freizeitgestaltung einschließt; die WAHRNEHMUNG im Spiegel schriftlicher und mündlicher Zeugnisse, und die institutionalisierte wie private ERINNERUNG in der ehemaligen Sowjetunion. Einleitend werden im Rahmen der Makroebene Struktur und Funktion des sowjetischen Besatzungsapparates sowie die historischen Rahmenbedingungen geschildert. Diese akribische Spurensuche soll nicht zuletzt für die Frage nach der Wahrnehmung des Fremden und der Herausbildung spezifischer Topoi neue Einsichten eröffnen.
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