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Ferdinand III. erbte von seinem Vater, Ferdinand II., den Dreißigjährigen Krieg. In der Mitte seiner Regierungszeit endete dieser Krieg 1648 mit dem Westfälischen Frieden und damit die lange Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen um konfessionelle Fragen. Der Westfälische Friede war zugleich eine wichtige Etappe im Zerfall der unter Karl V. entstandenen Allianz der spanischen und österreichischen Habsburger, welche Europa etwa ein Jahrhundert lang polarisiert hatte. Der Frieden läutete nun ein Europa souveräner Einzelstaaten ein. Für Ferdinand III. stellte sich dieser vielschichtige Epochenwechsel als eine Reihe von Dilemmata dar. Aus diesen resultierte seine lange Suche nach Frieden und zugleich sein langes Weiterkämpfen um günstigere Friedensbedingungen; seine widerwillige Trennung von Spanien und doch sein entschlossenes Festhalten der gleichwohl entgleitenden iberischen Verwandten; seine furchtsame Friedenswahrung nach 1648 und trotzdem: seine tastende, widerwillige Rückkehr in die europäischen Kriege der 1650er-Jahre. Für ein neues Verständnis der Zeit Ferdinand III schien es mir wichtig, einige strukturelle Aspekte besonders zu beleuchten, vor allem die enge Verflechtung des Streits um Konfessionen und Herrschaftsrechte. In seinen Wahlmonarchien, im Reich und in Ungarn, verfolgte Ferdinand III. eine pragmatisch moderierte Konfessionspolitik, in seinen Erbländern, Österreich und Böhmen, war er ein rigider Gegenreformator. Seine Gegenreformation aber war nicht allein religiös motiviert, sondern sie richtete sich zugleich gegen die annähernd autonome Herrschaft des Adels über die bäuerlichen Untertanen. Sowohl die konfessionelle Pragmatik als auch die landeskirchlich orientierte Gegenformation belasteten das Verhältnis Ferdinands III. zum Papsttum, welches sich ohnedies gegen die Dominanz des Hauses Habsburg in Italien wehrte. Neue Aspekte liefert das Manuskript auch hinsichtlich der kulturellen Dimension frühneuzeitlicher Herrschaft. Es galt, die Bilder und Begriffe, die Symbole und Rituale zu betonen, auf denen das Selbst- und Weltverhältnis dieses Kaisers beruhte und gelebt wurde. Erziehung, Lebenswelt und Zeremonialität nehmen daher viel Raum ein. Herrscher der Frühneuzeit wussten sich beobachtet und handelten danach. Wenn es so schwer ist, den Anteil Ferdinands III. an ‚seiner' Regierung präzise zu bestimmen, liegt dies nicht nur an institutionalisierter Beratung und an der Arbeitsteilung eines komplexen Regierungsapparates. Es liegt nicht nur daran, dass der Hof für Kaiser und Höflinge ein souverän gehandhabtes Instrument der Selbstdarstellung mit repräsentativen Bühnenauftritten einerseits und nützlichen Verschleierungen andererseits war. Es liegt vor allem daran, dass dieser Kaiser Herrschaft nicht in einem modernen, umfassenden Sinne als Politik begriff. Herrschaft diente nicht der Realisierung einer von Standpunkt des Individuums oder der Gesellschaft aus formulierten Utopie. Der Kosmos hatte für Ferdinand III. noch eine gottgegebene, eine vermeintlich natürliche Ordnung. Die Aufgabe von Fürsten darin war beschränkt und in der Praxis der Sicherung und des Ausbaus fürstlicher Herrschaft zumal in Anbetracht der Komplexität konfessionspolitischer Ziele und Probleme schwierig genug. Dass dieser Kaiser die Idee staatlicher Souveränität aufgriff, war für ihn bereits ein Schritt der Loslösung von dem, was er einmal als richtig gelernt hatte. In Alchemie, in Magnetismus und in der Musik dagegen suchte Ferdinand III. weiter nach dem Ausdruck der natürlichen Ordnung der Dinge. Andererseits (auch hier steht dieser Kaiser an einer Epochenschwelle) interessierte er sich für ein Phänomen, dessen physikalische und künstlerische Durchdringung im 17. Jahrhundert die Grundlagen seiner geistigen Welt zerlegte: für das Sehen. Der Kaiser lernte, dass nicht allein das betrachtete Objekt, sondern auch der Sehende an der Konstruktion (s)eines Bildes beteiligt ist.
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