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Verrat in den eigenen Reihen?
Katharina Scheffner
2020
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Seit Oktober 2019 gehen die Menschen in Chile wieder auf die Straße, um gegen die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage zu demonstrieren. Es sind die größten Demonstrationen seit dem Ende der chilenischen Diktatur (1973–1990). Die Demonstrationen sind auch eine der Nachwirkungen der Diktatur, die tiefe Spuren in der ideologisch und ökonomisch gespaltenen Gesellschaft hinterlassen hat. Der chilenische Autor Hernán Valdés (*1934) wurde zu Beginn der Diktatur gefangen genommen und gefoltert: Diese Erfahrung schrieb er in seinem Testimonialtext Tejas Verdes (1974) nieder und wurde quasi über Nacht weltberühmt, sein Text zum Beweisstück für die grausamen Verbrechen des chilenischen Militärs. Der nachfolgende Roman A partir del fin (1981) behandelt autofiktional die chilenische Gesellschaft vor und nach dem Putsch, kritisiert aber auch den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende und sein Regierungsbündnis Unidad Popular (1970–1973). In dem vorliegenden Band werden diese Veröffentlichungen Valdésʼ im Wechselspiel von literarischer und empirischer Welt analysiert und miteinander in Beziehung gesetzt. Im Rahmen des Aufarbeitungsprozesses widmet sich diese Forschung der Rezeptionsgeschichte von Tejas Verdes und A partir del fin sowie ihren gesellschaftlichen Implikationen. Der frühere Text machte den Autoren in der Opposition zu Pinochet berühmt, der zweite dagegen, der eine nuancierte Kritik am eigenen politischen Lager darstellt, erschwert weiterhin die Wahrnehmung und Diskussion des Romans in einer ideologisch tief gespaltenen Gesellschaft. In dieser Studie wird der Zusammenhang von Literatur, Rezeptionsgeschichte und Kanonisierung exemplarisch untersucht sowie die Verbindung von Literatur und gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozessen dargestellt.
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